Der Arbeitsplatz als Partnerbörse: Angeblich lernt sich ein Drittel aller Paare im Unternehmen kennen. Worauf man achten muss, damit die Karriere nicht unter der Liebe leidet.
Von Inka Wichmann
Sie war blitzgescheit, selbstsicher, wunderschön – und hatte ein umwerfendes Lächeln. Kein Wunder, dass er sich nur allzu gerne auf ihre Schreibtischkante zu einem Kollegenplausch setzte. Am Abend, wenn die Flure sich leerten, sahen andere Mitarbeiter manchmal, wie sie, die Vorgesetzte, und er, der Praktikant, die Köpfe zusammensteckten. Doch eine Beziehung? Das wies sie weit von sich. Bis zu jenem Betriebspicknick, nach dem sie ihn zu seiner kleinen Wohnung fuhr. Sie kehrten in die Eisdiele auf der anderen Straßenseite ein. Auf dem Bordstein hockend, küssten sie sich zum ersten Mal. Seither sind Barack Obama und Michelle ein Paar.
Regel Nummer eins: abwarten
Barack Obama und Michelle Robins lernten einander 1989 in der anerkannten Anwaltskanzlei Sidley & Austin in Downtown Chicago kennen – Michelle sollte Barack einen Sommer lang als Mentorin betreuen. Angehende Partnerin und aufstrebender Student: Solche Geschichten erzählen Kollegen sich gerne hinter hervorgehaltener Hand am Wasserspender – zumal ein hochrangiger Jurist das Paar nach Feierabend am Popcornstand im Kinofoyer getroffen hatte. Michelle und Barack hätten leicht als Gespött der Sozietät enden können. Taten sie aber nicht. Denn sie hatten eine wichtige Regel beherzigt: Sie hatten gewartet.
„Platzen Sie bloß nicht am zweiten Tag mit der Neuigkeit heraus“, sagt zum Beispiel Kommunikationsexpertin Meike Müller, die den Ratgeber „Rendezvous am Arbeitsplatz“ veröffentlicht hat. Was, wenn das Liebesglück nur kurz währt? Dann wird in der Teeküche über die Trennungsgründe gemutmaßt. Also lieber abwarten. Nach rund drei Monaten sollten die Verliebten aber doch die engen Kollegen und den direkten Vorgesetzten einweihen. Denn trotz getrennter Autos, trotz verschiedener Adressen, trotz versetzter Urlaubstage, kurz: trotz aller Vorsicht lässt sich eine Liebe nicht ewig geheim halten. Das ist auch gar nicht nötig.
Viele Chefs haben gegen die Liebe gar nichts einzuwenden. Im Gegenteil. Gemischte Teams arbeiten schließlich oft besonders gut zusammen. Ein Grund dafür: Flirts. Wer sich mag, neckt sich – und bleibt länger. Es herrscht heitere Stimmung, es entstehen gute Ideen. Manche Unternehmer stellen sogar bevorzugt Paare ein. Der eine sitzt dann im Marketing, der andere im Rechnungswesen – und schon verbessert sich durch die allabendliche Abendbrotunterhaltung der abteilungsübergreifende Kontakt. „Betriebspaare ersetzen fast schon die informelle Weihnachtsfeier“, sagt Meike Müller.
Regel Nummer zwei: nicht absondern
Trotzdem müssen Paare etwas auf der Hut sein. „Wer in der Mittagspause immer mit dem Partner den tollen Italiener an der Ecke aufsucht, macht sich keine Freunde“, sagt Meike Müller. Selbst wenn die „Hähnchenbrust nach Genfer Art“ meist schon lange im Wärmebehälter neben den Petersilienkartoffeln schwimmt: Auch Frischverliebte sollten sich mitunter in die Kantinenschlange einreihen: „Beim Mittagessen finden die spannendsten Gespräche statt.“ Einstellungsstopp, Stellenausschreibungen, Budgeterhöhungen – von vielen Themen hört die Mitarbeiterschaft erstmals am Kantinentisch, nicht im Wochenmeeting.
Überhaupt dürfen sich Paare von den Kollegen nicht absondern. Ein Mitglied der Laufgruppe sollte nicht plötzlich die Trainingsjacke einmotten, ein Teilnehmer des Betriebschors nicht unvermittelt das Gesangbuch wegwerfen: „Signalisieren Sie: Ich bin der Gleiche geblieben“, rät Meike Müller. Und so sehr das Herz auch für den Partner schlägt: „Verhalten Sie sich nicht, als seien Sie an der Hüfte zusammengewachsen.“ Vor allem der Wir-Modus birgt Gefahren für die Karriere. Wir finden, wir meinen, wir denken – wer nicht mehr als Individuum auftritt, bedroht seine Stellung im Unternehmen.
Regel Nummer drei: nichts ausplaudern
Herzensangelegenheiten auf einer Hierarchieebene sind nicht unkompliziert. Doch wenn zwischen den Verliebten ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, ist noch mehr Fingerspitzengefühl vonnöten. Die Kollegen könnten sticheln: „Du hast doch Kontakte nach oben. Erzähl‘ mal.“ Der Partner könnte bohren: „Wie ist denn die Stimmung unten? Was sagen die anderen?“ Wer diese Vermittlerrolle übernimmt, kann nur verlieren – nämlich das Vertrauen der Kollegen und des Partners. „Wenn ihr wüsstet“, ist hier die falsche Antwort. So schwer es auch fällt: Manche Themen sind nun ein Tabu. „Nehmen Sie die rosarote Brille rechtzeitig ab“, sagt Meike Müller.
Nicht alle Liebschaften enden knapp zwanzig Jahre und zwei Kinder später im Weißen Haus. Manche Beziehungen zerbrechen, mal schleichend, mal krachend. Ganz gleich, was vorgefallen ist: „Kündigen Sie nicht Hals über Kopf“, sagt Meike Müller. Oft hilft es, Abstand zu gewinnen – entweder räumlich durch einen neuen Platz oder geistig durch eine kurze Reise. Aber machen wir uns nichts vor: Ein Städtetrip mit den besten Freunden heilt nicht alle Wunden. Manche brauchen ein Sabbatjahr, andere ein Therapiegespräch. Und manche tatsächlich nach reiflicher Überlegung einen Jobwechsel.
Erschienen auf faz.net
Foto: Barack Obama / Flickr CC Lizenz